3D-Druck: Chancen und Herausforderung für das Handwerk

Konzeptentwicklung, Planung und Durchführung einer Pilot-Infoveranstaltung, Transfer auf Bundesebene

Motivation
In der Kategorie „generative Fertigung“ (oder auch additive Fertigung) fasst man Fertigungsverfahren zusammen, die Bauteile oder andere Objekte anhand von Geometriedaten aufbauend Herstellen. Verfahren dieser Kategorie sind unter der heute gebräuchlichen Bezeichnung „3D-Druck“ aktuell in aller Munde. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) schätzt, dass 2016 weltweit rund zehn Milliarden Euro Umsatz mit 3D-Druck-Produkten gemacht wurden, eine Milliarde Euro wurde davon alleine in Deutschland umgesetzt. Laut der Umfrage von EY unter 900 Führungskräften aus der Industrie in zwölf Ländern sind deutsche Unternehmen derzeit führend bei der Anwendung des 3D-Drucks. 37 Prozent nutzen die Technologie bereits, zwölf Prozent planen die baldige Anwendung.

Das Thema 3D-Druck ist in aller Munde. Entsprechend hoch war die Resonanz auf die Einladung zur HwK-Veranstaltung (Bild: Jörg Diester, Handwerkskammer Koblenz).

Ursprünglich fasste man die ab den 1980er Jahren entwickelten additiven oder generativen Fertigungsverfahren unter dem Begriff „Rapid Prototyping“ zusammen, da zunächst nur Objekte aus Spezialkunststoffen mit begrenzten Materialeigenschaften erzeugt werden konnten. Diese waren zum Einsatz im Endprodukt oft ungeeignet und konnten meist nur als Prototypen, z. B. als Anschauungs- und Testobjekte, verwendet werden. Durch technologische Weiterentwicklungen und neue Verfahren kamen nach und nach auch Metalle, Verbund- und Hochleistungswerkstoffe zum Einsatz. Zum Teil erreichen heute die technisch-physikalischen Eigenschaften der aufgebauten Werkstoffe (z. B. Festigkeit, Temperatur- oder chemische Beständigkeit) die Werte konventionell eingesetzter Werkstoffe oder überschreiten diese sogar. Damit eignen sich generative Verfahren jetzt auch zur Herstellung von Werkzeugen oder Bauteilen zum Einsatz in Endprodukten. Da nun nicht mehr nur Prototypen generativ gefertigt werden können, entsteht der übergeordnete Begriff „Rapid Manufacturing“. Manche Entwicklungen, die besondere Vorteile beispielsweise hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Effizienz oder Haltbarkeit haben, werden durch Rapid Manufacturing erst ermöglicht, weil deren Geometrie mit herkömmlichen Fertigungsverfahren nicht realisierbar ist. Gerade beginnt der Siegeszug in vielen Wirtschaftszweigen: von der Luftfahrt, über die Automobilindustrie bis insHandwerk. Bemerkenswert ist, dass selbst in das private Umfeld und in den Freizeitsektor diese Technologie Einzug hält.

 

Einschlägige Handelsketten und Versandhäuser versuchen, nach dem Vorbild bekannter Modelleisenbahnhersteller mit bezahlbaren 3D-Druck-Starterkits in Windeseile die Kinderzimmer zu erobern und dauerhafte Abhängigkeiten zu schaffen. Es ist zwar unbestritten, dass diese Lösungen den Ansprüchen professioneller Anwendungen i. d. R. nicht genügen – man kann dieser Entwicklung jedoch trotzdem etwas Positives abgewinnen. Denn es ist ebenso unbestritten, dass die frühe Beschäftigung mit dieser Technologie bei Kindern und Jugendlichen das mathematisch-technologische Interesse und die persönliche Kreativität fördert. Und damit wird die Basis für den Nachwuchs an Facharbeitskräften, Ingenieuren und Wissenschaftlern gefördert, die für die Zukunft unserer Gesellschaft dringend notwendig sind. Doch zurück in die professionelle Gegenwart. Mit der Digitalisierung und den vielfältigen Anwendungen der Additiven Technologien entstehen für viele Gewerke neue Wertschöpfungsmöglichkeiten durch neue Geschäftsmodelle rund um den 3D-Druck. Selbst wenn man – aus Handwerkssicht durchaus nachvollziehbar – dem Paradigmenwechsel bei der Fertigung und dem hieraus resultierenden Aufbrechen eingefahrener Kompetenzen und Alleinstellungsmerkmalen bestimmter Gewerke kritisch gegenüber steht, man kann diese Entwicklung nicht aufhalten. Aus Unternehmenssicht gibt es zwei Alternativen, von denen genau einer auf den eigenen Betrieb zutrifft: Entweder, die Entwicklung betrifft das Unternehmen nicht, oder es muss sich ihr stellen und versuchen, sie für sich zu nutzen.

Zur richtigen Bewertung, Einordnung und Entscheidung ist jedenfalls neben unternehmerischen Kompetenzen umfangreiches Entscheiderwissen zur Technologie erforderlich. Eine unserer Aufgaben ist es, bei einer potenziell relevanten Technologieentwicklung schon frühzeitig hier anzusetzen und die Entscheider zu sensibilisieren, ihnen Entscheiderwissen zu vermitteln und ihnen Netzwerkstrukturen bereitzustellen. Hierzu wurde ein Veranstaltungskonzept zum bundesweiten Einsatz entwickelt und eine Pilotveranstaltung in Koblenz durchgeführt. So wird zweierlei erreicht. Vordergründig gibt es den oben beschriebenen technologischen Wissensgewinn für das Unternehmen. Nicht zu unterschätzen ist jedoch auch die nachhaltige Wirkung des Imagegewinns unserer Einrichtung. Die BIT werden bei den Entscheidern nachhaltig als kompetente Anlaufstellen und Netzwerker verinnerlicht, auf die dann zur weiteren Beratung zurückgegriffen wird, sollte sich im Einzelfall für ein Unternehmen die Technologie als potenziell relevant herausstellen. Der wichtige Erstkontakt ist schon erfolgt und die Hemmschwellen wurden abgebaut.

Konzept
Das Konzept der vierstündigen Nachmittagsveranstaltung sieht einen Wechsel von Vorträgen und realen Demonstrationen der Bauprozesse verschiedener Druckverfahren vor. Hierbei werden die Unternehmer bzw. Entscheider mit dem nötigen Wissen zur Technologie versorgt und beispielhaft werden Strategien zur Umsetzung vorgestellt, um sie hiermit in die Lage zu versetzen, die richtigen Bewertungen vornehmen und Entscheidungen treffen zu können.
Zu Beginn werden die Prozesse vorbereitet und gestartet. Die „Pausen“ zwischen den Vorträgen sind großzügig bemessen. So haben die Teilnehmer ausreichend Zeit, die kontinuierliche Entstehung der Bauteile zu verfolgen und so die Arbeitsweise der verschiedenen Verfahren kennen zu lernen. Dabei bietet sich für die Teilnehmer auch die besondere Gelegenheit, ungezwungen mit den Referenten, Experten an den Maschinen und mit anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen, Erfahrungen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Der Wert solcher Kontakte ist nicht zu unterschätzen. Das Veranstaltungskonzept lässt hierzu ganz bewusst ausreichend Raum.
Auch bei der Zusammenstellung des Vortragsprogramms wurde Wert auf den Praxisbezug gelegt. Ein Einführungsvortrag umreißt die Grundlagen und den aktuellen Stand der Forschung und Technologie. Die weiteren Beiträge kommen von Anwendungsexperten aus Unternehmen, die langjährige Erfahrungen im Bereich der additiven Fertigung haben.

Für die Teilnehmer ergibt sich so ein umfassendes Bild zum Stand der Technik, über die Möglichkeiten, die der Einsatz dieser Technologie ergibt, wo umzudenken ist und welche Voraussetzungen zu erfüllen sind.

Pilotveranstaltung
Zur Pilotveranstaltung am 11. Mai 2017 wurden auch mit Hilfe des Netzwerkes des Vereins „junge technologien in der beruflichen bildung tibb e. V.“ sowohl der wissenschaftliche Partner (Prof. Dr.-Ing. Jens Bliedtner, Ernst-Abbe-Hochschule EAH Jena) als auch geeignete Anwendungsexperten aus der Wirtschaft (Cersten Zilian, SLM Solutions, Lübeck / Markus May, 3 Faktur GmbH, Jena / Philipp Albrecht, 3D-Laserdruck GmbH, Reutlingen) als Referenten sowie die Modellfabrik 3D-Druck der EAH Jena für die Praxisdemonstrationen der verschiedenen 3D-Verfahren akquiriert.

Mix aus Theorie und Praxis. Der Wechsel zwischen Vortrag und Demonstration von 3D-Druckern im Einsatz sowie der Gedankenaustausch kamen beim Publikum gut an.
Bild: Jörg Diester, Handwerkskammer Koblenz)

Zur Einladung per Post und E-Mail wurden Programmflyer entwickelt und an die HwK-Mitgliedsbetriebe in Frage kommender Gewerke und weitere Kontakte aus relevanten Netzwerken (z. B. Schweißtechnische Lehranstalt der HwK, den BIT-Verteiler sowie die Mitglieder und Partner des tibb e. V.) versendet.

Fazit der Pilotveranstaltung
Die ausschließlich positiven Rückmeldungen der aus Platzgründen auf 80 Teilnehmer begrenzten Pilotveranstaltung haben uns bestätigt, dass das Konzept des Wechsels zwischen Vorträgen und praktischen Demonstrationen mit Raum für individuelle Gespräche und zur Kontaktaufnahme ideal geeignet ist, um Entscheider auf ein neues Technologiefeld vorzubereiten und sie nachhaltig mit dem für sie wichtigen Wissen und den notwendigen Informationen zu versorgen.

Bundesweiter Einsatz und Übertragung des Konzeptes

Im Jahr werden bundesweit verteilt weitere Veranstaltungen nach gleichem Konzept und Rahmen mit zum Teil wechselnden lokalen Akteuren aus der Praxis stattfinden. Für die Termine 22.01.18 bei der Handwerkskammer Düsseldorf sowie 21.02.18 bei der Protohaus gGmbH in Braunschweig in Kooperation mit der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade sind die Planungen bereits abgeschlossen. Weitere Termine sind für das erste Halbjahr 2018 in Planung (Hamburg, Bayreuth, …).

Weiterhin sehen wir für viele Handwerksunternehmen auch auf dem Themenfeld des korrekten Einsatzes neuentwickelter Werkstoffe mit ganz gezielt herausgearbeiteten Eigenschaften (wie z. B. geringes Gewicht bei gleichzeitig hoher Festigkeit) Informationsbedarf, weil auch diese Thematik hohes Zukunftspotenzial besitzt. Zur Durchführung von Veranstaltungen zur Thematik „Gezielter Einsatz neuer Werkstoffe“ und mit dem einem Konzept nach oben beschriebenen Muster haben wir bereits die Planungen begonnen und mit kompetenten Akteuren und Forschungseinrichtungen konkrete Gespräche geführt und Absprachen getroffen. Die ersten Veranstaltungen werden 2018 stattfinden.